«Sollten nur Frauen eine Geburt begleiten und wie hilft eine Doula dabei?»

Vera Achana

Vera Achana

Expertentalk mit Sandra Ackermann (Dipl. Doula und Geburtsbegleiterin)

Die Doula weckt bei vielen Eltern immer mehr Interesse. Der Trend kommt aus den USA und ist in der Schweiz bei vielen noch ein unbekannter Begriff. Der Begriff Doula stammt aus dem Altgriechischen und heisst «Dienerin». Sie kümmert sich mehrheitlich um das emotionale Befinden von Frauen und Paaren während der Schwangerschaft, Geburt und dem Wochenbett. Anders als die Hebamme verfügt eine Doula über keine medizinische Ausbildung zur Geburtshilfe. Seit 2006 gibt es den Verband Doula CH. Der Verein zählt mittlerweile 175 Mitglieder; rund ein Fünftel von ihnen arbeiten im Kanton Zürich.


Im Rahmen der monatlichen Mamimoves Expertenklasse führte ich ein Gespräch mit Sandra Ackermann, einer praktizierenden Doula.

Sandra nennt sich lieber Geburtsbegleiterin als Doula und beschreibt ihren Beruf folgendermassen: «Die Doula ist die physische und psychische Unterstützung für die Gebärende; die Unterstützung kann oftmals schon in der Zeit der Schwangerschaft beginnen und über die Geburt hinaus gehen. Die Doula trifft jedoch keine medizinischen Entscheidungen. Sie begleitet die Frau in diesem Prozess, wie lange das ist, ist sehr individuell.» In Ihren Kursen für Geburtsvorbereitung fehlte Sandra stets die Praxis, deshalb hat sie sich zur Geburtsbegleiterin weitergebildet.

Zu meiner weiteren Frage, welche Beziehung Sandra zu Ihren Kundinnen aufbaut, beschreibt sie sehr lebhaft: «Das Schöne an meiner Arbeit ist, dass die Frauen sehr unterschiedliche Bedürfnisse haben und ich immer wieder herausfinden muss, was die Frau möchte, was ihr Partner möchte und wie ich sie individuell am besten betreuen kann.»

Mich hat interessiert, wieviel Prozent die emotionale und wieviel die körperliche Ebene bei der Geburt eine Rolle spielt. Sandra meint, dass 60 Prozent emotional und 40 Prozent körperlich und schlussendlich entscheidend für den Geburtsverlauf ist. Sie fügt hier noch an, dass «meine Aufgabe es nicht ist, die Frauen von mir abhängig zu machen, sondern dass sie ihre eigenen Kräfte mobilisieren können. Schlussendlich gebären die Frauen, nicht ich.»

Sandra begleitet auch geplante Kaiserschnittgeburten, jedoch eher selten. Häufiger komme es vor, dass eine Geburt beginne und es dann unter der Geburt zum Kaiserschnitt komme. Sie sei dann immer sehr dankbar, dass es bei uns möglich ist, die Babys per Kaiserschnitt auf die Welt zu holen.

Welche Rolle spielen die Väter bei der Geburt?

Wir sprechen weiter über die Partner der gebärenden Frau. Ein Thema, das aus meiner Sicht zu wenig angesprochen wird. Sandra macht dazu eine interessante Feststellung: «Ich habe in den Nachgesprächen manchmal den Eindruck, dass die Männer an einer anderen Geburt waren.» Diese Aussage regt uns alle zum Denken an. Es scheint so, als würden einige Männer dieses Ereignis ganz anders wahrnehmen als die gebärende Frau und Sandra als Begleitperson. Hier stellt sich für mich eine weitere Frage. Soll man das so stehen lassen und hoffen, dass die Männer das Erlebte einfach anders verarbeiten? Oder braucht es doch einen bewussteren Umgang mit diesem Ereignis, Gespräche und Zeit zum Verarbeiten, damit die Väter die Erlebnisse nicht einfach verdrängen.

Aus psychologischer Sicht scheint mir die Gefahr zu bestehen, dass die Verdrängung auch zu einer Distanzierung von der Partnerin führen kann. Insbesondere wenn in der folgenden Zeit das Neugeborene dann plötzlich ganz im Mittelpunkt steht und alle Zeit und Energie in Anspruch nimmt, wird es für den Mann häufig schwierig, seinen Platz in dieser neuen Konstellation einzunehmen.

«Historisch gesehen sind Männer, die bei einer Geburt dabei sind, eine Erscheinung der Neuzeit. Früher haben Frauen unter sich geboren, ohne die Männer», fügt Sandra noch an. Es könnte für sie eine Überforderung sein, die sie halt einfach wegstecken, denke ich mir dabei. Viele Väter sind froh, dass Sandra die Geburt begleitet. Sie können dann mal rausgehen, Distanz nehmen und aufatmen. Sandra steht manchmal auch als Vermittlerin im Raum. Sie übersetzt was die Ärzte oder Hebammen sagen, wenn es für die Gebärende, ihren Partner, oder beide nicht verständlich ist. Es kam auch schon vor, dass der Mann einer gebärenden Frau sehr irritiert wurde und anfing Befehle zu erteilen. Sandra musste dann intervenieren und schauen, dass es keinen Stress bei der gebärenden Frau erzeugt.

Was könnte sich für Vater und Mutter verbessern?

Ich persönlich würde mir wünschen, dass die Geburt und die Zeit danach in der Gesellschaft mehr Beachtung finden würde. Für frischgebackene Eltern ist es ein Sprung ins kalte Wasser, der meines Erachtens Auswirkung auf die spätere Beziehung von Mann und Frau hat. Einen positiven Beitrag können Freunde und Familie leisten, in dem sie offene Fragen stellen, nicht alles bewerten und besser wissen, auch wenn sie schon selber Kinder haben und das gleiche auch «überstanden haben». Auf institutioneller Ebene könnten hingegen auch Spitäler, Geburtshäuser oder Hebammenpraxen eine aufklärende Rolle einnehmen, die über einen klassischen Geburtsvorbereitungskurs für Männer hinaus gehen und ihn über die persönlichen Stressfaktoren bei der Geburt aufzuklären und ihm Unterstützung bei der Verarbeitung bieten.

Auf der anderen Seite kann man auch bei Frauen das Bewusstsein wecken, dass für Väter eine Geburtsbegleitung nicht selbstverständlich sein muss, ohne dass diese oftmals unverarbeitete Bilder und Emotionen hinterlassen, die auch die spätere Beziehung zur Frau beeinträchtigen können.

Zuletzt wollte ich noch gerne von Sandra wissen, wie sie die vielen Geburten verarbeitet. «Früher musste ich nach jeder Geburt zwei Tage lang weinen. Meine Kinder waren dann auch noch klein. Heute kann ich besser Abstand nehmen. Ich habe einen guten Schlaf, das hilft mir sehr.»

Das Gespräch habe ich mit Sandra Ackermann geführt, Geburtsbegleiterin und -vorbereiterin, Erwachsenenbildnerin, Kleinkinderzieherin, Trainerin für Rückbildung, Yoga und Pilates. www.geburtundkind.ch


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